Im Jahresbericht 194911950 des neugegründeten Deutschen Journalisten-Verbandes hat dessen Erster Vorsitzender, Dr. Helmut Cron, neue Verlagskonstruktionen gefordert. Crons Verlangen gründete auf Erfahrungen, die er gesammelt hatte — als junger Chefredakteur am Ende der Weimarer Republik, im Abseits der Nazijahre, danach als Presseberater der französischen und amerikanischen Militärregierungen, bei der Gründung der »Stuttgarter Zeitung«, wie 1947 beim unvollendeten Beteiligungsmodell der Redaktion an der späteren »Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung«.
1950 war es hohe Zeit für solche Initiativen, denn mit der Aufhebung des alliierten Lizenzzwanges am 21.9.49 hatten die Deutschen nun selber zu entscheiden, wie sie ihre periodische Berichterstattung organisieren wollten.
Die Alliierten hatten zwei Vorentscheidungen getroffen: Sie hatten im Einvernehmen mit den Politikern der deutschen Länder den Rundfunk öffentlich-rechtlich und die Presse privatrechtlich organi-
siert. Damit basierte die journalistische Arbeit auf zwei unterschiedlichen wirtschaftlichen Grundlagen: der Rundfunk bezog sein Einkommen im Prinzip aus Gebühren und war nicht gezwungen, Profite zu machen. Die Presse entstand in der alten Abhängigkeit von Kapitalien.
Gesetzgeberisch zuständig waren und sind bis heute die deutschen Länder. Das Grundgesetz der Bundesrepublik bestimmte darüber hinaus im Artikel 5, die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sollten konstituierend für die Staatsordnung sein. Dieses Postulat unterstreicht der Artikel 18, der besagt, daß die Grundrechte der freien Meinungsäußerung, »insbesondere die Pressefreiheit«, verwirkt, wer sie zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung mißbraucht. Der Artikel 19 erkennt Grundrechte auch inIändischen juristischen Personen zu. Eine sehr weitgehende Interpretation der »Würde des Menschen«, die Grundrechte schützen sollen.
Die Initiative von Helmut Cron, das organisatorische VerhäItnis des Journalisten zu seinen Produktionsmitteln neu zu bestimmen, stieß also auf eine Staatsauffassung mit stark institutionalisier-
ter Färbung. Das war nach dem Erfolg der antirepublikanischen Propaganda in der Weimarer Republik und nach der Massenregie der Nationalsozialisten nicht verwunderlich. Viele der Gesetzgeber trugen die Spuren der Hitlerei am eigenen Leib. Die Mehrheit sah sich den irreparablen Folgen ihrer Verführbarkeit noch tagtäglich gegenüber.
Rückblickend muß man wohl sagen, daß die vier Jahre von 1945 bis 1949 nicht ausgereicht haben, um einen soliden consensus über Ende und Neuanfang zu ermöglichen. Die Blüte der Publizistik unter den Militärregierungen der ersten Jahre wurde schon geknickt, als die Alliierten in Ost und West den gegenseitigen Publikationsaustausch 1947 verboten. Die Sieger rüsteten ihre Propagandaapparate nicht ab, sondern richteten sie gegeneinander. Das neue Deutschland, auf das wir gesetzt hatten, blieb unterworfen, und die euphorischen Zeitschriftentitel der ersten Jahre — »Die Wandlung«, »Der Start«, »Das Goldene Tor«, »Aufbau«, »Der Ruf«, »Die Sammlung« und viele, viele mehr — bereiteten vor, aber nicht auf, was nach der »deutschen Katastrophe« (Meineke) und nach dem »Abschied von der bisherigen Geschichte« (Alfred Weber) werden sollte.
Immerhin kamen im journalistischen Bereich auch junge Köpfe sogleich zum Zuge, während die politische Entscheidung auf Jahre
hinaus fast vollständig bei den Veteranen von Weimar verblieb. Die politische Klasse hatte sich nicht, wie in den Ländern unter deutscher Kriegsbesetzung, durch junge Kräfte eines militärischen Widerstandes erneuert. Der deutsche Partisan blieb literarisch. So belastete das Ende der ersten den Anfang der zweiten deutschen Republik in vielfacher Hinsicht.
Auch im Pressewesen versuchten Verleger und Journalisten wieder dort anzufangen, wo sie 1933 aufhörten. 1949 bis 1951 vervielfachte sich die Zahl der Zeitungen gegenüber der Lizenzperiode; aber eine wirklich neue Konstruktion, wie sie 1951 »Le Monde« in Paris wagte, war nicht darunter. Die Lizenzzeitungen florierten und sahen keinen Anlaß, ihre inneren Verhältnisse neu zu ordnen, und die wiederhinzukommenden Altverleger hatten ohnehin Mühe, sich erneut durchzusetzen. Eine Stiftung in Verbindung mit einer GmbH, die in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« geschaffen wurde, erscheint heute als ein bezeichnender Kompromiß des Herkömmlichen mit dem Neuanfangenwollen. Es war also nichts mit neuen Konstruktionen, und wir müssen feststellen, daß der deutsche Journalismus
nach 1945 organisatorisch in den ausgetretenen Schuhen alter Abhängigkeiten ans Werk ging.
Die Pressefreiheit war keineswegs unumstritten. In den Auseinandersetzungen um das Bayerische Rundfunkgesetz, wie um den Stuttgarter Pressegesetzentwurf im Anschluß an den Fall Ministerpräsident Maier gegen Herausgeber Maier, 1947, mußten die Militärregierungen fragwürdige Ansprüche deutscher Politiker zurückweisen. In der britischen Zone hatte der Controller des NWDR, Sir Hugh Greene, Einflußnahmen der deutschen Parteien abzuwehren.
Im Grunde ging der Streit um das Verständnis von Demokratie im angelsächsischen und deutschen politischen Denken. In England hat sich seit David Hume durchgesetzt, daß die Regierenden von den Meinungen der Regierten abhängen. Die deutsche Staatslehre, die auch nach 1945 noch vorgetragen wurde, hielt nichts von einem solchen Primat.
Deshalb erscheint der Rundfunk auch heute vielen als ein Akt staatlicher Daseinsvorsorge und die Presse mehr als ein Spezialfall von Gewerbeordnung denn als Vehikel der Meinungen von Regier-
ten. Die Meinungen von Regierten aber waren und sind der Verfassungsauftrag des Journalismus in der Demokratie. Sie ist mit ihrer periodischen Vergabe der öffentlichen Ämter auf Zeit gar nicht denkbar ohne fortgesetzten Kampf um andere Allgemeinvorstellungen; Das Grundgesetz unterstreicht dies mit dem Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Da dies alles nicht eingeübt und selbstverständlich war, wuchs der deutschen Justiz in Pressefragen mehr Einfluß zu als in alten Demokratien.
Der Journalismus muß vor allem die Zugänglichkeit von Kommunikation verbreitern. Daran können etablierte Interessen keine Freude haben. Die Bundesregierung hat dann auch in den ersten Jahren der Republik mehrfach versucht, diese Zugänglichkeit praktisch zu verengen. Die Verhaftung von Robert Platow, der mit seinem Nachrichtendienst dem Wirtschaftsministerium Erhard zu nahe stand, die Versetzung des langjährigen Deutschlandkenners und -korrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung, Eduard Geilinger, nach Rom, das Ausgeschiedenwerden von Paul Sethe aus der FAZ, die jahrelange Intrige gegen den Chefredakteur der dpa, Fritz Sän-
ger, der 1959 weichen mußte, schließlich die Spiegel-Affäre und das Adenauer-Fernsehen — das waren Beispiele obrigkeitlich gedachter Pressepolitik.
Im Rundfunk konstatierte der damalige Chefredakteur des NWDR, Walter Steigner, schon 1955 einen Rückgang des unabhängigen politischen Urteils und zunehmenden Proporz von Repräsentantenmeinungen anstelle der Meinungen von Regierten. Der linke CDU-Kommentator und der rechte SPD-Kommentator waren gern gelitten; aber ganz frei war nur Antikommunismus.
Im Anschluß an die McCarthy- Verfolgungen in den USA hatte die Bundesregierung einen Verbotsantrag gegen die KPD just in dem Augenblick gestellt, als Stalins Tod Wandlungen im Weltkommunismus andeutete. Nach dem Verbot der nazistischen SRP 1952 hat das KPD-Verbot von 1956 das politische Meinungsspektrum auf ein Meinungs-Kartell mittlerer Positionen begrenzt. Das war der parlamentarischen Arbeit bekömmlich, der freien Entfaltung von Meinungen eher abträglich. Wir haben in der Bundesrepublik die Grundkonflikte des Jahrhunderts um Nationalismus und Kommunismus nicht offen verarbeitet, sondern uns darum herumgemogelt.
Wo Kritik und Propaganda reduziert sind, verliert der Journalismus Farbe und Vielfalt. Er wird zum Journalismus der Repräsentanten. Die großen demokratischen Konzeptionen verblassen, wo ihnen die Kontraste fehlen.
Der bequeme Weg der 60er Jahre führte folgerichtig ins Abseits. Klagte die Berichterstattung 1963 unisono über die politische Teilnahmslosigkeit der neuen Generation, so konnte sie sich 1967 nicht genug tun im Erstaunen, was da herangewachsen war und nach großen Konzeptionen verlangte. Nun druckte Ullstein Bakunin, und die schließliche Verankerung der Unruhe im Marxismus veränderte das Weltbild nachhaltig.
Hätte man es wissen können zehn Jahre früher? Teilnahmslosigkeit ist eine Phase der Absonderung. Das wußte man zu allen Zeiten; aber der auf die politische Mitte konzentrierte Journalismus hat für sogenannte Randgruppen wenig übrig. Das führt notwendig zu deren publizistischer Verselbständigung, und dies um so krasser, je hämischer die etablierten Medien sie kommentieren. Da aber die Regierenden tatsächlich von den Meinungen der Regierten abhängen, weil diese immer in der Mehrzahl sind, müssen sie end-
lich die marginale Publizistik doch zur Kenntnis nehmen, was sie besser früher getan hätten, statt sich ihre eigenen Fragen durch demoskopische Querschnitte bestätigen zu lassen.
Es scheint mir im Rückblick, daß die periodische Berichterstattung über Minderheitsmeinungen in den 50er und 60er Jahren viel versäumt hat, um diese Versäumnisse in den 70ern dann mit der Überrepräsentation kommunistischer Terroristen zu kompensieren. Neuerdings lese ich die aktuelle Kartellmeinung, das Ende der Bundesrepublik stehe bevor, weil der bayerische Ministerpräsident auf einer Wahlversammlung in Essen mit Eiern beworfen worden ist — die ihn nicht trafen. Die Meinungsäußerungen von Regierten sind aber pro und contra immer handgreiflicher und weniger liebenswürdig gewesen, als das ihren Repräsentanten lieb sein konnte. Das war schon unter Kaiser Maximilian so und bleibt auch so bei demokratischen Führern, die mit Blaulicht in gepanzerter Limousine einherfahren. Der Journalismus hat in soIchen Fällen roher Form den Motiven nachzugehen, will er die Integration voranbringen, die im Ritualismus der periodischen Medien angelegt ist.
Von den Journalisten wollen wir wissen, auf welche Fragen eklatante Aus- und Einfälle eine Antwort sind — und dies zur Zeit. Gerhard Szczesny hatte recht, 1960 Kolakowski im Bayerischen Rundfunk zu Wort kommen zu lassen und nicht zu warten, bis der Philosoph 1977 zum Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels befördert wurde. Szczesnys Gegner hatten unrecht. Die Zeitigkeit der Aussage liegt in der alleinigen Verantwortung des Journalisten, denn alle Uhren gehen anders als die der periodischen Berichterstattung. Irgendwann wird jede Mitteilung problemlos; nur zeitig kann sie der Information dienen.
Zeitigkeit der Aussage ist eine soziologische Größe, bestimmt vom Dreiecksverhältnis Zeitrechnung, Publikum, Journalist. Die Verwirklichung folgt der verfügbaren Technik und diese im journalistischen Bereich der Ökonomie der Signale. Da trennen uns heute Äonen von den publizistischen Anfängen des Nachkriegs, als Boten per Fahrrad die Produkte unserer klapprigen Schreibmaschinen und verblaßter Farbbänder zur Setzerei fuhren.
Die elektronische Revolution hat die journalistischen Produktionsmittel seitdem verändert. Fast ist das Schreiben selber schon an-
tiquarisch geworden und stenographieren können nur noch die alten Hasen. Es ist keine Utopie mehr, Computer gleichzuschalten und das Personal auf ein Minimum zu verringern. Die fehlerhaften Subjekte auszuschalten, von denen jedes an dem menschlichen Erbübel leidet, anders zu sehen als das andere, kann unvermeidlichen »noise« aus dem perfekten technischen Ablauf verbannen.
Der Verteilungscharakter des Journalismus tritt klar hervor, und die hohen Investitionskosten sorgen dafür, daß die apparative Neuerung nicht in die Hände der sozial Schwachen gerät. Die »allgemein zugänglichen Quellen«, von denen das Grundgesetz spricht, werden im Bereich der periodischen Berichterstattung zu wenigen Kanälen, über die unbekannte Kontrolleure zuteilen, was an Information gelten soll. Journalisten sind dann Kanalarbeiter von Satelliteneignern und Verbundsystemen, ganz außerstande zu reflektieren, was sie verteilen, und schon gar nicht in der Lage, auf eigene Faust zu recherchieren; denn aus einem programmierten System kann nur herauskommen, was eingegeben worden ist. Das mathematische Tempo, nicht die soziologische Zeitigkeit bestimmt den Ablauf.
Was der Journalismus durch die neue Technik an mathematischer Zeit gewinnt, verliert er an soziologischer Interpretation der Zeitläufe. Zeitgewinn und Bedeutungsschwund bedingen einander. Der alte Streit um die Flüchtigkeit journalistischer Aussagen droht durch teure Technik zugunsten der Bedeutungslosigkeit entschieden zu werden.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich keine neue Tageszeitung fest etablieren können, obschon es an Versuchen nicht gefehlt hat. Die Hörfunkprogramme sind mehr und mehr zu Musikprogrammen geworden. Das Wort weicht den Tönen, überwiegend Tonkonserven der Unterhaltungsindustrie. Es weicht aber auch dem Bild: im Fernsehen wie in der Presse; denn während die Tageszeitung zurückging, hat die Unterhaltungspresse stetig zugenommen. Die Bundesrepublik produziert gegenwärtig einige Millionen Exemplare Unterhaltungszeitschriften pro Woche mehr, als das Volk Seelen hat. Die reinen Werbezeitschriften und Produkte der Öffentlichkeitsarbeit nicht mitgerechnet.
Bildpublizistik heißt gegenüber dem sprachlichen Diskurs verkürzte Aussage. Denn das Bild wird im Ganzen aufgenommen, das Wort buchstabiert. Das Bild haftet leicht in der Erinnerung, das Wort muß erinnert werden. Die verkürzten Angebotsmuster in Bildpresse und Fernsehen haben deshalb einen hohen werbenden und propagandistischen Effekt bei vergleichsweise geringem kognitiven Gehalt. Sie geben Vor-Bilder ohne ersichtliche Begründungszusammenhänge. Das Publikum paßt sich der Bequemlichkeit an. Es war die illustrierte Presse, die sexuelle Tabus gebrochen hat, nicht die Tageszeitung und nicht der Rundfunk. Es war der 20-Uhr-Termin des Fernsehens, der einen nationalen Ritus über die Staatsgrenzen hinweg geschaffen hat. Und es ist die Bildpresse als Agentur der Werbung, die Status-Symbole und Körpersymbolik vermittelt, nach denen sich die Politiker in der Konkurrenz um die Wählergunst richten müssen.
Die für die Demokratie unerläßliche geistige Auseinandersetzung wird von Bildermachern vorentschieden, ehe auch nur das erste vernünftige Wort gefaUen ist. So will es eine Philosophie des Fortschritts, die besagt, daß alles gemacht werden muß, was technisch machbar ist.
Ich bin nicht der Meinung. Die Versäumnisse des deutschen Journalismus in den letzten dreißig Jahren sind klar. Wir haben zuviel und zu hastig publiziert und zuwenig recherchiert und nachgedacht. Das quantitative Wachstum des Gewerbes wurde mit QuaIitätsverlust im einzelnen bezahlt: Zeitgewinn und Bedeutungsschwund. Ein Druckfehler war vor 30 schier eine Katastrophe, heute ist er selbstverständlich. Verdrängung des selbstverantwortlichen »freien Mitarbeiters« zugunsten elektronischer Fertigfabrikate aus multinationalen Fabriken muß die schöpferischen Potenzen im eigenen verringern und die Profession verstümmeln. Sendezeiten füllen mit irgendwas heißt nicht Programmachen, und Seitenfüllen gibt noch keine Zeitung.
Manche Leute glauben, die Privatisierung der Rundfunkanstalten und die Reduzierung der Zeitung auf den Bildschirm eröffneten neue Möglichkeiten der Produktivität. Aber sie übersehen, daß diese neuen Medien ja gerade deshalb in Gang gesetzt werden sollen, um die internationale Überproduktion an Gerät, Bild und Text loszuwerden: Periodische Berichterstattung als Multiplikator der Unterhaltungsindustrie. Wilde Investitionen suchen die Massen, die sie bezahlen sollen.
Noch nie aber wurde ein Mißstand beseitigt, indem man seine Ursachen vermehrte. Wenn man eine neue Technik hat, dann muß man sie als soziales Phänomen analysieren. Erst danach läßt sich entscheiden, ob sie die periodische Berichterstattung fördert oder nicht. Alles andere ist verschwendete Zeit, nicht mathematische Zeit, nicht soziologische Zeit, sondern verschwendete biologische Lebenszeit des einzelnen Journalisten.
Helmut Cron erzählte mir kürzlich von einem jungen Kollegen, der nur noch verteilen will. Er überläßt sich der technischen Perfektion. Das ist bequem und erspart die Erfahrung der Vergeblichkeit, die zum Beruf gehört. Aber die bloße Verteilung immer zahlreicherer Mitteilungen ist längst problematisch geworden. Die enorme Medienliteratur liefert den Nachweis.
Heute brauchen wir in Deutschland den recherchierenden, reflektierenden, den forschenden Journalisten, der eine durch globale Kommunikation immer komplizierter werdende Umwelt im Tagesablauf verständlich machen kann und seine eigenen Kriterien dazu: Wir brauchen interrogativen Journalismus für den von Propaganda und Werbung bedrängten Bürger dieser Republik. Einen in-
terrogativen Journalismus mit offenen Kriterien deshalb, weil die Regierten zuwenig gefragt werden und die Regierenden zuviel verlautbaren.
Das Versprechen von 1945 ist noch nicht eingelöst.
Die Zeitigkeit journalistischer Texte erweist sich nicht immer am Tage des Erscheinens und schon gar nicht in der Summierung der Meinungen des Tages. Sie hängt bis in die Wortwahl von ihnen ab; aber sie verweist auf die vorangegangene Zeit und die kommende. Die nachfolgend wieder abgedruckten Stücke sind Tagesarbeiten gewesen. Sie geben Positionen wieder, die, teils verlassen, teils verdrängt, doch mit aktuellen Fragen in Zusammenhang stehen. Insofern können sie erinnern. Zum besseren Verständnis haben wir jedem Text eine kurze Vorbemerkung mitgegeben.
Der Autor dankt seiner Frau, Dr. Christa Pross-Dericum, die die notwendigen Kürzungen vornahm, die alten Texte durchsah, und überhaupt dafür sorgte, daß der vom Verlag bestimmte Umfang der Auswahl aus viel mehr zur Sache Gehörigem zustande kam.
Harry Pross, Berlin, 15. 5. 80