2.9.1923geboren auf dem Gelände der Tubenfabrik Richter im Karlsruher Rheinhafen als erster Sohn des Fabrikdirektors Fritz Pross und seiner Frau Ella, geborene Willadt. Die Eltern gaben ihm die Namen Harry Carl Fritz. Der Standesbeamte lehnte den „nichtdeutschen“ Namen ab und trug in die amtlichen Papiere den Namen Harald ein.
Weil das Kind ein Bronchialleiden entwickelte, kauften die Eltern ein kleines Haus im Albtal hinter Ettlingen bei der Ruine des Klosters Frauenalb. Dort wuchs Harry Pross auf, ging in der Nähe zur Grundschule, später in Karlsruhe auf ein Reformgymnasium. 1933, als die Nationalsozialisten an die Regierung kamen, war er zehn Jahre alt. Gleich nach Kriegsausbruch im September 1939 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht, wurde aber zurückgestellt und erst im Januar 1942 einberufen.
1942 – 1944Geschützführer an einer 3,7 Pak in Nordmittelrussland, Winter 1942/43 bei Velikije Luki. Frühjahr 1943 Offizierslehrgang in Wischen, Mähren, danach 23. Panzer Division in Kriwoi Rog, Ukraine. Rückzug, Verwundung Sommer 1944, Lazarettaufenthalte. Entlassung 1945 nach Heidelberg.
Bis zum Beginn des Studiums dort im November arbeitete er als Volontär beim ersten Präsidenten der Landesverwaltung Nordbaden, Professor Karl Holl. Seinen bündischen Neigungen folgend, begründete er 1946 in Karlsruhe eine „Gesellschaft der Jugend“ und erhielt die Lizenz zur Wiederbegründung der Pfadfinder. Er begann, sich politisch zu betätigen.
1945 – 1949Studium der Sozialwissenschaften in Heidelberg. Fächer: Soziologie, Staatslehre, Psychologie, Neuere Geschichte. Seine Lehrer waren Alfred Weber (Staats- und Kultursoziologie), Gustav Radbruch (Rechtsphilosophie), Viktor von Weizsäcker (Anthropologie), Walter Jellinek, (Staatslehre), Hans von Eckardt, (Publizistik). Eine Generation jünger waren Alexander Mitscherlich und Dolf Sternberger.
Teilnahme an privaten Seminaren bei Weber und Radbruch. Mitarbeit am Projekt „Sozialisierung und Neutralisierung der Ruhr als Mittel der Friedenssicherung“ der Aktionsgruppe Heidelberg. Zeitweise Mitglied im Landesjugendausschuss.
Seit 1940 schreibt Harry Pross Gedichte, 1945 veröffentlich er einen kleinen Band: Bracke
1948 Redaktionsvolontariat an der Zeitung Die Rheinpfalz in Neustadt / Haardt. Beobachter bei den Nürnberger Prozessen. Im Februar erstes Radio-Feature für den Bayerischen Rundfunk(Redaktion Hans Heigert): Der Weg in die Knechtschaft. Bündische Jugend und Hitlerbewegung. Ab diesem Zeitpunkt kontinuierliche Mitarbeit bei allen Sendern der späteren ARD, siehe Radio-Bibliographie.
1949 Im Juni Promotion mit einer Arbeit über Nationale und soziale Prinzipien der Bündischen Jugend im Fach Sozialwissenschaften.
1949 Geschäftsführender Redakteur der neu gegründeten Wochenschrift Ost-Probleme der amerikanischen Militärregierung unter Franz Borkenau.
1949 Heirat mit der Studienfreundin Helge Nyssen. Harry und Helge Pross trennten sich nach der Hochzeit, sie ließen sich 1954 scheiden, blieben aber befreundet bis zu Helges Tod 1984.
1950 Teilnahme am „Kongress für Kulturelle Freiheit“ in Berlin. Bei diesem Kongress lernte Harry Pross Golo Mann kennen, Beginn einer lebenslangen Freundschaft und Zusammenarbeit.
Mitglied in der Industriegewerkschaft Druck und Papier, seit 1989 IG Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst, seit 2001 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Mitarbeit in der Zeitschrift die feder und der Zeitschrift Gewerkschaftliche Monatshefte. Vorträge bei Gewerkschaftsveranstaltungen und diverse Gutachten.
1952 Einjähriges Fellowship for Advanced Studies; Travel Commonwealth Fund. Political Sciences: Hoovver Institute, Stanford, Columbia, New School for Social Research. Dieses Stipendium erhielten Harry und Helge Pross gemeinsam, vermittelt durch den Prager Historiker Hans Kohn, der beide in Heidelberg kennengelernt hatte. Mit Kohn verband sie eine Freundschaft bis zu dessen Tod.
1953 – 1955 Deutschlandkorrespondent für Haagse Post, Amsterdam, Wohnsitz Bonn.
1954 Beginn der Zusammenarbeit mit Viktor Otto Stomps (Vauo). Harry Pross kannte Stomps seit 1949 in Heidelberg, wo er 1946 einen eigenen Gedichtband veröffentlicht hatte. Mit Stomps verbanden ihn seine literarischen Neigungen. Er beteiligte sich am Verlag Eremitenpresse und finanzierte den Verlag aus seinen Funk-Honoraren.
1954 Die Fabrik und ihre Landschaft [ohne Name], kleine Kulturgeschichte der Richter-Tube. Freunden und Mitarbeitern als Jubiläumsgabe überreicht
von der Aktiengesellschaft für Metallindustrie vorm. Gustav Richter (Karlsruhe) im 75. Jahre ihres Bestehens 1879-1954. Bogen-Verlag Frankfurt am Main, 1954 [Stomps]
1954 – 1955 Assistent am Soziologischen Lehrstuhl (Max Graf zu Solms- Rödelheim) der Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wilhelmshaven-Rüstersiel. Freundschaft mit dem Ehepaar Solms.
1955 Heirat mit der Slawistin Dr. Heddy Weerth, Adoption von deren Tochter Warja.
1955 – 1960 Redakteur der Deutschen Rundschau des Herausgebers Rudolf Pechel in Stuttgart.1959 Kauf eines Bauernhauses in Weiler im Allgäu,
Übersiedlung von Stuttgart. 1960 zweimaliger mehrmonatiger Aufenthalt zu Studien in Westafrika. Berichterstattung in Funk und Presse.
1956 Georg Weerth. Die ersten Gedichte der Arbeiterbewegung mit einem Essay zu Georg Weerth und Friedrich Engels, Stierstadt (Ts.), 1956, Eremiten-Presse
1958 VERILOQUIUM 1 –Jesse Thor. Dreizehn Sonette. Hrsg. Harry Pross, 1958. Eremiten-Presse
Außenpolitik. Das Fischer-Lexikon 7, Frankfurt/Main 1958 Hrsg. zusammen mit Golo Mann
1959 Die Zerstörung der deutschen Politik 1871-1933, Dokumente zusammengestellt und kommentiert, Frankfurt/Main, S. Fischer Verlag, rev. Neuauflage 1983
1.1.1959 Mitglied im P.E.N.
1961 – 1963 Dozent für Information und Politik an der Hochschule für Gestaltung, Ulm.
Freundschaft mit dem langjährigen Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Theodor Pfizer, gemeinsames Buchprojekt über „Badener und Württemberger“.
Gastdozent an der FU Berlin mit den Vorlesungsthemen „Die politisch literarische Zeitschrift in Deutschland nach 1870“ und „Kultursoziologie der Massenmedien“
1962 Vor und nach Hitler. Zur deutschen Sozialpathologie, Olten und Freiburg, 1962
guten morgen vauo. Ein buch für den weißen raben v.o.stomps. Hrsg. (zusammen mit Günter Bruno Fuchs), Vorwort Hermann Kasack), Frankfurt/Main, 1962
1962 – 1969 Mitherausgeber der Neuen Rundschau (S.Fischer).
1963 Dokumente zur deutschen Politik 1806-1870. Dokumente zusammengestellt und kommentiert, Frankfurt/Main, 1963
Literatur und Politik. Geschichte und Programm der politisch- literarischen Zeitschrift im deutschen Sprachgebiet seit 1870, Olten und Freiburg/Brsg., 1963
Publizistik und Gewaltlosigkeit [Ossietzky], München, 1963
1963 – 1968 Chefredakteur von Radio Bremen
1964 Jugend, Eros, Politik. Die Geschichte der deutschen Jugendverbände. Bern, München und Wien, 1964
1965 Dialektik der Restauration. Ein Essay, Olten und Freiburg, 1965
1967 Deutsche Presse seit 1945 (Hrsg.), Bern, München und Wien, 1965
1967Moral der Massenmedien. Prolegomena zu einer Theorie der Publizistik. Köln und Berlin,
1967 Beginn der Freundschaft mit Lew Kopelew und seiner Frau Raissa Orlowa in Moskau.
1968 – 1983 Lehrstuhl für Publizistik an der
1969 Scheidung von Heddy Pross-Weerth und Heirat mit der Historikerin Dr. Christa Dericum 1970
1970 Publizistik. Thesen zu einem Grundcolloquium, Neuwied und Berlin 1970
1971 Protest. Versuch über das Verhältnis von Form und Prinzip. Neuwied und Berlin 1971 Die meisten Nachrichten sind falsch. Für eine neue Kommunikationspolitik. Stuttgart 1971
Söhne der Kassandra. Versuch über deutsche Intellektuelle, Stuttgart, 1971
Adoption der Söhne Roland und Michael.
1972 Mitteilung und Herrschaft. Anmerkungen zur Rundfunkpolitik, Darmstadt und Neuwied, 1972
Medienforschung: Film, Funk, Presse, Fernsehen. Darmstadt o.J. [1972]
1974 Politische Symbolik. Theorie und Praxis der öffentlichen Kommunikation, Stuttgart 1974
-span. Estructura simbólica del poder. Barcelona, 1980
1976 Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Stuttgart 1976 (zusammen mit Hanno Beth) – span. Introducción a la ciencia de la comunicación.Barcelona 1987
1977 Vauo und die großen Zeiten. Stuttgart, 1977
1980 Politik und Publizistik in Deutschland. Zeitbedingte Positionen. München 1980
1980 Beginn einer langjährigen Reihe von Vorträgen, Vorlesungen und Seminaren an spanischen
Universitäten – Salamanca, Barcelona, Madrid, Malaga, Sevilla -, initiiert vom Kollegen und Freund Vicente Romano, Kommunikationswissenschaftler mit Lehrstühlen in Madrid und Sevilla.
Von 1980 – 2001 Mitarbeit an der Sendereihe „Am Abend vorgestellt“ des Westdeutschen Rundfunks. Rezensionen politischer Bücher. Redaktion: Regine Gossmann. Siehe Radio-Bibliographie.
1981 Zwänge Essay über symbolische Gewalt. Berlin 1981
– span. La violencia de los símboles sociales. Barcelona 1983
1983 Rituale der Medienkommunikation. Gänge durch den Medienalltag (gemeinsam mit Claus-Dieter Rath). Berlin/Marburg, 1983
Vorzeitige Emeritierung.
1984 Medium „Kitsch“ und Medienkitsch –
Abschiedsvorlesung an der FU Berlin am 6. Juli 1983. Berlin 1984 (Reihe Universitätsreden, Heft 5)
Erstes von zehn „Internationalen Kornhaus-Seminaren“ in Weiler im Allgäu. Das Thema dieses Seminars: „Kitsch als soziales Produkt“. Einige der Teilnehmer des ersten Seminars – Vilém Flusser, Lew Kopelew, Vicente Romano, Carlo Mongardini, Abraham Moles, Helmut Lamprecht – begleiten auch die folgenden Seminare.
Die Kornhaus-Seminare der nächsten Jahre, bis 1993, haben unter dem Gesichtspunkt von Kommunikation Themen wie „Heimat und „Heimatlosigkeit“,
„Freunde und Andere“, „Europa der Regionen“, „Vom Spielen“, „Märchen -Botschaften der Freiheit“1und – als letztes Seminar – „Vom Umgang mit der Zeit“. Teilnehmer dieser Seminare sind u.a. Wulf Wülfing, Salcia Landmann, Rudolf zur Lippe, Helmwart Hierdeis, Boris Chasanow (Genia Faibussowitsch) und Aron R. Bodenheimer.Beginn des Unterrichts an der privaten Journalistenschule St. Gallen, die 1986 vom St. Galler Tagblatt (Zollikofer AG) übernommen wurde, unter der Leitung von Jürg Tobler und Ludwig Hasler. Sie endet 1995.
Die Zusammenarbeit mit der ostschweizer Zeitung St. Galler Tagblatt und dessen langjährigem Redakteur Kurt Lüthy begann im Sommer 1959 und endete 2002. Sie intensivierte sich unter dem späteren Chefredakteur Jürg Tobler, der schon während seiner Zeit bei den Luzerner Neuste Nachrichten die kleine Form „Salzkorn“ entwickelt hatte, für die Harry Pross dann im St. Galler Tagblatt bis zuletzt pointierte Beiträge geliefert hat.
Scheidung von Christa Dericum und 1985 Heirat mit Marianne Katz. Mit ihr kommt deren Tochter Caroline (1971 – 2011) ins Haus.
1985 Kitsch. Soziale und politische Aspekte einer Geschmacksfrage (Hrsg.) München, 1985.1986 „Und wir, die nie Zufriedenen …“ Kurt Tucholsky und die Indolenz. Zu seinem 50. Todestag am 21. Dezember 1985. Stuttgart, 1986
1988 Erstes Treffen und Gründung der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft in Weiler. Beginn der Freundschaft mit dem langjährigen Vorsitzenden der Gesellschaft, Michael Hepp.
Die metaphorische Verwirrung. Über die politische Kultur in der Wende. Ulm 1988 (Reihe „club of ulm“)
1989 Kalendarische Zwänge. Sinn und Unsinn von Gedenkdaten. Vorlesung vom 24. April 1989. Hrsg. Institut für Semiotik und Kommunikationstheorie am Fachbereich Kommunikationswissenschaften der FU Berlin, 1989
1990 + 1997 Vorträge, Vorlesungen und Seminare an der Katholischen Universität Sao Paulo in Brasilien auf Einladung des Kollegen und Freundes Norval Baitello jun.
1991 Buch der Freundschaft. Freiburg, Basel, Wien, 1991
1992 Protestgesellschaft. Von der Wirksamkeit des Widerspruchs. München und Zürich, 1992
– portugiesisch A Sociedado do Protesto Vol I, Sao Paulo, 1997
1993 Memoiren eines Inländers 1923 – 1993. München und Zürich, 19931995 Journalistische Ethik in der elektronischen Revolution. Eichstätt 1995
(Eichstätter Materialien zur Journalistik, Bd. 4)
1996 Der Mensch im Mediennetz. Düsseldorf und Zürich, 1996
– span. Atrapados en la Red Mediática. Orientacion en la diversitdad. Version española, prologo y notas de Vicente Romano, 1999
2000 Zeitungsreport. Deutsche Presse im 20. Jahrhundert. Weimar, 2000
2002 Verleihung des Kurt-Tucholsky-Preises in Berlin, Laudatio Walter Jens
2003 Lob der Anarchie. Erlebtes und Erlesenes.
Berlin
2005 „…Lieber Harry, sitze in einer Kloster- nicht in einer Knastzelle…“ Briefwechsel zum Lob der Anarchie, Harry Pross und Bernd Kramer. Berlin, 2005
2010 gestorben am 11. März in Weiler im Allgäu.