Der Soziologe Max Ernst Graf zu Solms-Rödelheim ist am Sonntagabend in Göttingen nach langer Krankheit gestorben. Seine Interessen galten den Arbeitsbedingungen der Industriegesellschaft und der Religionssoziologie, beide verbunden durch die sozialistische Ethik, die ihm in Frankfurter Studentenjahren durch Paul Tillich zukam.
1910 in Straßburg geboren, hat er seine elsässischen Kinderjahre bis zuletzt als eine Schule der Toleranz betrachtet. Der Vater, der nach der Ausweisung 1919 früh starb, war im Arbeitsamt beschäftigt, die Mutter betätigte sich in der Armenpflege. Seine soziologische Dissertation über den Berufsverkehr (Pendler) einiger Dörfer bei Karlsruhe setze gewissermaßen die Arbeit des Vaters fort, sagte der Sohn.
Von der Mutter hat Max Solms die praktissche Sozialarbeit übernommen, als sie mit ihren drei Söhnen 1920 nach Rödelheim zurück gekehrt war, Rödelheim wurde die zweite Lebensstation mit guten Freunden, lebenslang. Die Mutter sorgte auch dafür, dass der Gymnasiast und Student an französische und englische Schulen kam, so dass der zunehmende Rechtsradikalismus keinen Einfluss gewinnen konnte.
Volkswirtschaftliche und soziologische Studien in Köln, dann Frankfurt. Dort wurde Max Solms 1931 aktiv in der »Roten Studentengruppe«, die vergeblich für eine Einheitsfront gegen die immer stärker werdenden Nazis warb. »Rote raus!« war deren handgreifliche Logik. Dagegen war schwer zu argumentieren. Flugblätter konnten die Gewalt nicht aufhalten, als die studentische Mehrheit ihr wich.
In der RSG begann die Freundschaft mit Wolfgang Abendroth. Er holte den kriegsversehrten Max Solms 1949 nach Wilhelmshaven an die Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft . In den drei Jahren zuvor hatte Solms mit den etwa gleichaltrigen Sternberger und Mitscherlich die Alterabstände zwischen den jungen Kriegsheimkehrern in Heidelberg und ihren alten Lehrern überbrückt, die 1945 wiedergekommen waren. Der Älteste von ihnen, Alfred Weber, war 1868 geboren und noch mit Georg Knapp befreundet gewesen, dem Straßburger »Doktorvater« von Solms’ Vater.
Das Einbezogensein in die Generationenfolge der Sozialwissenschaftler verstärkte die Neigung von Max Solms, genau nachzufragen, – »was heißt denn des?« -, und die Umstände zu relativieren. Auf der Wilhelmshavener Hochschule hatte er mit Studenten ganz verschiedener Herkünfte und beruflicher
Voraussetzungen ausgiebig Gelegenheit dazu. So kämpfte er, zuletzt auf verlorenem Posten, dafür, dieses bildungspolitische Experiment fortzusetzen. Die Fakultät drängte an eine »richtige« Universität zurück, und die Studenten sollten vielfach weiter studieren. Sie wurden nach Göttingen übernommen.
Die ursprüngliche Idee, juristische, volkwirtschaftliche und politlogische Studien sozialwissenschaftlich zu durchdringen, blieb im Lehrplan des »Diplomvolkswirts« erhalten. Der hochgewachsene Professor, auf seinen Invalidenstock gestützt, hat sie, verbindlich im Umgangston, unerbittlich in der Sache, noch lange bekannt.