Von den modernen Möglichkeiten der Kommunikation, so behauptet Harry Pross, macht unsere Publizistik noch nicht den richtigen Gebrauch. Warum? Weil die alte demokratische Forderung nach „freier“ Information sich zu wenig um die „adäquate“ Information kümmert, was nichts anderes heißt, als daß der Erfolg jeder Information auch die gesellschaftlichen Bedingungen mit berücksichtigen muß. Diesen soziologischen Zusammenhang der Massenmedien zu beweisen, spannt das Buch einen weiten Bogen von der Rede und dem geschriebenen über das gedruckte Wort in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen bis hin zum Hörfunk, Film und Fernsehen – und das von den alten Griechen bis in unsere Gegenwart.
Kaum jemand hat sich bisher um solche Einsicht bemüht. Um so überraschender sind die Ergebnisse, von denen hier nu zwei kurz genannt werden können. Erstens hält Pross die Übertragung unserer europäischen publizistischen Praxis auf die außereuropäischen Kulturen für falsch, besonders in den Entwicklungsländer. Die Erfahrungen in den letzten Jahren gebe seiner Analyse nur zu recht. Zweitens behauptet Pross, daß nicht nur draußen, sondern auch bei uns die Realität des Menschen verkannt wird, wenn ihn unsere Massenmedien statt zur Teilnahe nur zur Passivität verhelfe. Es werde „kein gesellschaftliches Leben entfaltet, das den freien Austausch der Gedanken zum Inhalt hätte“, weder in unseren Parlamenten noch in den Parteien und Verbänden. Dieser „Einbahnverkehr“ der tertiären Medien beruhe auf Deklamation von obe und auf Akklamation von unten, aber nicht auf Diskussion mündiger Menschen, die nicht nur Objekt sein wollten. Ein grundgescheites, lesenswertes Buch.
Noch ein zweites Buch über Publizistik ist hier anzuzeigen: von dem angesehen und hochverdienten Wissenschaftler an der Berliner Universität Professor Dr. Emil Dovifat. Es ist der erste Band eines dreibändigen „Handbuchs der Publizistik“ von dem die beiden später folgenden Bände von namhaften Praktikern der Publizistik geschrieben werden sollen. Dovifat gibt im ersten Band einen umfassenden Überblick über die gesamte Publizistik in einer so runden, klaren und vorzüglich orientierenden Weise, daß jeder, der es mit Presse, Rundfunk, Fernsehen und Film zu tun bekommt, sich dort Rat holen kann.
hc.
Harry Pross: Moral der Massenmedien. Prolegomena zu einer Theorie der Publizistik. Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. 240 Seiten. 18,50 Mark
Emil Dovifat: Allgemeine Publizistik. Band 1 des Handbuchs der Publizistik. Walter de Gruyter & Co., Berlin. 333 Seiten. 28,- Mark.