Der Semantiker Anatol Rapopolt hat auf zwei Nachsilben in unserer Sprache hingewiesen, die auf abgeschlossenes Wissen zielen, auf die, wie er sagt, ehrwürdige »-ologie« und die energische »-ik«. Ehrwürdig und energisch sind gewiß ein ungleiches Paar; aber ob »-ik« immer »eine Methode des Angriffs auf Lebensprobleme vermuten« läßt, weiß ich nicht so recht.
Das Fach, das ich vertrete, heißt Publizistik, nicht Publicologie, und insofern die Rhetorik, die wiederum aus der Dialektik stammt, als die Ururgroßmutter der Publizistik bezeichnet werden kann, hat es mit dem Angriff auf Lebensprobleme wohl seine Ordnung. Indessen stellte schon die angreiferische Brauchbarkeit von Rhetorik Fragen nach dem Sinn des Unternehmens, nämlich nach seiner Einordnung in größere Zusammenhänge, die nicht weniger Lebensprobleme sind, aber gerade durch die energische Attitude des Zugreifens verdrängt werden.
Besonders deutlich wird dieser Verdrängungsvorgang heute in einem Arbeitsbereich der Publizistik, dem hoher praktischer Wert zugesprochen wird, in der Medienforschung. Was man mit Medien machen kann, wie man mit Medien Geld verdient, Wähler an die Urnen treibt, Bewußtsein bildet — das sind gewiß Methoden des
Angriffs auf Lebensprobleme; aber sie schaffen ständig neue, und die neuen sind nicht weniger schwierig als die alten, insbesondere deshalb nicht, weil sie mit immer raffinierteren Techniken zustande kommen.
Dieser Stand der Dinge hat mich veranlaßt, Detailuntersuchungen und Methoden, die augenblickliches Interesse haben, aber morgen schon überholt sein können, außer acht zu lassen und einen Überblick zu versuchen über die Fragestellungen, die mir wichtig erscheinen für den, der nicht nur zugreifen, sondern sich auch überlegen will, Was aus einem Zugriff folgen kann.
Der erste Hauptteil gibt solche Fragestellungen wieder, der zweite zählt die wesentlichen Medien auf. Sie sind gegliedert nach 1. den Medien des menschlichen Elementarkontaktes, deren Bedeutung uns erst durch die Ausbreitung eines komplizierten optischen Instrumentes, des Fernsehens, wieder ins Blickfeld gekommen ist. In der 2. Gruppe erscheinen diejenigen Medien, die auf der Produktionsseite einen Apparat nötig haben, nicht aber auf der Seite des Empfängers, also vor allem der ganze Komplex der Druckerpresse. Als 3. Gruppe von Medien, tertiäre Medien, werden diejenigen
bezeichnet, zu denen technischer Sender und technischer Empfänger gehören, Schallplatte, Film, Fernsehen etc. Diese Gruppierung ist zugleich eine nach sozialen Distanzen, denn die Technik legt jeweils Abstände in sie hinein, die Arbeit und Kapital und Verfügungs-gewalten in sich schließen.
Der dritte Teil des Buches besteht aus einem Expertenbericht, den eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern 1969 auf einem Treffen, das die UNESCO in Kanada veranstaltete, abgefaßt hat. September 1970 wurde dieser Bericht auf einem gleichartigen Seminar der UNESCO in Konstanz vertieft und bestätigt. Ich wiederhole ihn hier, weil er ausdrückt, daß die Verkleinerung der Welt durch ausgedehnte Kommunikation jene schon bei der Rhetorik sich steIlende Sinnfrage zu einem globalen »Lebensproblem« gemacht hat.
Angesichts des geringen Umfanges des Bandes wurde nur ein Minimum an Literatur und Statistik eingebracht. Im hoffe aber, daß er zur Einführung Von Nutzen ist und hilft, was jetzt in der Schule als »Medienkunde«, also eine »-ologie«, angekündigt wird, anzuregen.